Als Frau hieß er Anke

Donnerstag, Oktober 26, 2006

Damit tust Du doch nur die Synappsenüberfunktion aushebeln!


Paff! Zack! Zisch! Die Pforten haben sich geöffnet, der Schlund wird rasend schnell groß wie ein Genelefant, schwarzer Qualm mit Disconebel-Geruch und treibende Bässe hüllen die Welt in einen Mantel aus Schweigen und Untergangsfalsett.
Dunkle Gestalten mit bewappneten Uniformjacken betreten die Bildfläche und schauen grimmigst drein, der erste Mensch wird von einer überdimensionalen Hand gepackt und vor den Augen der gesammelten Nationalbevölkerung scheinbar mühelos verspeist.
Chöre aus Todesengeln in Fledermausoptik, mit Kai Ebel Maske, steigen gen Himmel auf und ziehen über den Scheiteln einer panischen Masse ihre Dunstkreise aus schäbig riechendem Aschestaub.

Ok, ich habs ja gewusst. Irgendwann ist es soweit. Das Ende und so. Gut, dann jetzt wenigstens spektakulär, iss ja auch mal was. Sterben wie Männer, ohne Airbag und Prada "pour homme" Handtasche.
Et kütt wie et kütt, sagt der Kölner. DIE deutsche Weltstadt, das Rhein-San-Francisco, die neue Heimat vom Spreewald-Cipollini?

Keine Ahnung. Aber trotz allem befinden wir uns hier mitnichten im letzten Kapitel der heiligen Schrift, oder gar einer modernen Theater-Interpretation dessen. Keine sich nackt gegenseitig anurinierenden Schauspieler oder ähnliches.
In unserer Stadt hat einfach nur gerade ein neues Einkaufszentrum mit dem weltoffenen, metropolesken Charmenamen "Boulevard" eröffnet.

Das übliche, Glas soweit das Auge blickt, staunendes Publikum mit dem immer noch aktuellen Detail aus unserer Deutschland-Kollektion: Das Begrüßungsgeld Funkeln am linken Pupillenrand.

Im Innenhof: hups falsch. Im Atrium: Die unvermeidliche Kaffee-Bar. "Fräulein, ich hätte gerne einen sechsfachen Frozen-Limoncello-White-Cocoa-Hazelnut-Highlandwhiskey-Chino im mittleren Becher.""Draußen nur Kännchen!""Dann nehm ich en Kännchen Jägermeister!"

Aber kommen wir zurück zum Wesentlichen. Am Vorabend der Mehrwertsteuererhöhung ist die Kauflaune im Land so groß wie lange nicht mehr. Das leuchtet ein, in diesem Zusammenhang natürlich auch der neue, mehrstöckige "Esprit-Store". Raushauen was geht, man will ja gut angezogen sein wenn die Gesellschaft dem Untergang entgegensteuert.
Da entfaltet selbst der in besagtem "Boulevard" neu eröffnete Friseur eine gewisse Sinnhaftigkeit. Wir haben ja nicht schon ungefähr 120 Stück in unserer illustren Stadt.

Ein nettes Detail findet man im gegenüberliegenden Drogerieladen: Alpecin Anti-Haarausfall Kur. So kapitalistisch eng verzahnt sind wir also schon. Da hat Procter & Gamble also auch bereits arme Inneneinrichter, respektive Kaufhausbetreiber in seinem diktatorischen Würgegriff.

Achso, ich habe die neue "Bailly Diehl"- Repräsentanz vergessen. Ein Pulli für 196 Euro. Bestimmt über alle Zweifel erhabene Qualität.

Gestern sah ich einen Bericht über eine vierköpfige Familie. Die Eltern sind Schrottsammler, da sie lieber arbeiten wollen als abhängig zu sein. Ein guter Tag bringt 130 Euro Verdienst.

Welch ein Glück, daß ich schon eine Glatze habe.

Donnerstag, Oktober 19, 2006

Ryan Adams & The Cardinals

Wir machen weiter mit Musik... Zum Abschied unseres Freundes Ryan Adams nach seiner wundervollen Deutschland-Tour, einem grandiosen Konzert am Dienstag Abend in Ludwigshafen, hier noch einmal "Hard Way To Fall" Live bei den Austin City Limits.
Take Care on Your Way Home To Jacksonville Ryan...

Dienstag, Oktober 17, 2006

Wir erobern uns die Nacht zurück


Da liegt sie nun vor mir, die Stadt.
Der ruhige Dampfstrom noch weniger Schornsteine verrät, dass es wieder kälter geworden ist.

Der schleppende Übergang eines die Welt angenehm weichzeichnenden, milchigen Tagesnebels in das klare und kühle Schwarz der Nacht hat sich schon lange vollzogen. Hier oben ist es ruhig, ganz ruhig.
Der zurückliegende Tag zieht im Geiste noch einmal seine Kreise. Der beste Song heute? Ok, "The National - Looking For Astronauts". Das war noch recht einfach. Doch was war der wichtigste Moment?

Ja, ich denke es gibt diese eine Sekunde, oder Minute oder gerne auch noch mehr, die eine ganz besondere Priorität gegenüber den anderen erlebten innehat. Es ist nur sehr schwierig sie ausfindig zu machen. Ein huschender, vielleicht zufälliger Streifblick eines schönen Mädchens in der Straßenbahn? Ein sich im Brillenglas brechender Sonnenstrahl auf dem Weg nach Hause? Jens Lekmans Stimme berichtet per Vinyl vom Sky Phenomenon?

Verdammt, es ist tatsächlich äußerst schwierig für sich einen persönlichen Favoriten zu finden. Der auch alles mitbringt um das große Rennen zu gewinnen. Doch irgendwo muß es einen Hinweis geben. Versteckt, wie so vieles in diesem Leben. Eine Art Gehirnostern.
Schöne, bewegende Augenblicke gibt es immer, man muß ihnen nur auf der Spur sein, Sie nicht abhauen lassen und einfangen. Wie früher als Kind die kleinen Krebse im Sandstrand.

Sowas vertreibt die bösen Gedanken, das Nachdenken über Einsamkeit, über das lange Suchen und doch bis jetzt nicht fündig geworden zu sein.
Überraschungen werden immer im großen Köcher der Erlebnisse im Leben zu finden sein, so wie eine sich selbst reparierende Flurlampe zum Beispiel. Ok, ein vernachlässigbares Detail, aber trotzdem irgendwie erfreulich oder?

Ihr werdet euch bestimmt noch nach der Antwort auf die Frage meines heute wichtigsten Moments fragen. Kann ich euch bis jetzt leider noch nicht sagen. Am Ende meiner Gedanken zur Nacht war er mir noch nicht bewusst. Doch das kommt bestimmt noch. Ganz sicher. Ich habe da auch schon einen Favoriten...

Zum Schluß noch ein kleines Video-Präsent zum Einschlafen... Der Zeremonienmeister wünscht eine ruhige Nacht...

Jens Lekman - Black Cab (live)

Der gute Jens Lekman, Live und in weiß...

Samstag, Oktober 14, 2006

"Gäbe es kein Testosteron, Mädchen würden kaum wahrgenommen werden, außer als Belästigung"

Keine Sorge, das ist nicht von mir - und natürlich völliger Quatsch!
Frauen sind die, mit denen man(n) zum Beispiel rund um Weihnachten Winterspaziergänge macht - durch die matschige Substanz, die sich in hiesigen Gefilden Schnee nennt und die einem nicht nur die Schuhe durchnäßt, sondern auch die Hosenbeine versaut. Außerdem friert man sich die Hände zittrig und die Lippen blau - aber man spaziert mit einem zauberhaften Geschöpft durch die unberührte Winterlandschaft.
'Spazieren gehen' - man(n) wehrt sich schon seit frühester Kindheit dagegen, nimmt die Ausflüge im Kindewagen noch murrend hin, weil man wenigstens nicht selbst laufen muss. Später dann, verweigert man sich standhafter gegen die sonntäglichen "Verdauungsspaziergänge".
Verdauungsspaziergänge - das klingt schon nach Darmtrakt und Stoffwechsel.
Die Damenwelt also schafft dann das, was Muttern seinerzeit nur erreicht hat, wenn sie entweder ein paar vor Wut zerbrochene Teller hingenommen oder direkt mit Taschengeldentzug und Hausarrest gedroht hat - man(n) geht spazieren.

Wenn man dann durchgefroren nach Hause kommt, dann sind es die Frauen, die dafür sorgen, dass man(n) nicht unbedingt selbst Hand anlegen muss, um körperliche Highlights zu erfahren - statt dessen legt man(n) dann unter Umständen Leistungsmaßstäbe in nicht unbeträchtlicher Höhe an.
Aber es kann ja nicht schaden, den Umgang mit Druck zu üben - kann man im Berufsleben durchaus gut gebrauchen.

Frauen sind diejenigen, die danach vorwurfsvoll dreinschauen, wenn man(n) noch die zweite Halbzeit von Erzgebirge Aue gegen Kickers Offenbach schauen will (es läuft heute einfach nichts anderes und außerdem hofft man, dass Offenbach verliert). Der Blick spricht Bände und macht einem unmißverständlich klar, dass man ein Kretin ist, dass man den Akt in seiner Bedeutung nicht erschlossen zu haben scheint und überhaupt sei jetzt Zeit für Kuscheln und Co.
Und wenn man(n) die Glotze dann schweren Herzens ausgeschaltet hat und sich seiner Liebsten zuwendet - dann ist diese bereits längst eingeschlafen.

Wenn dann die Kumpels anrufen und fragen, ob man noch auf ein Bierchen mitkommt, antwortet man natürlich mit einem entschiedenen 'Nein'!
Die Frau schläft zwar längst, während man stolz ob seiner zumindest durchschnittlichen Leistung nach Kippe und Bier gelüstet - aber das geht trotzdem nicht.
Man bleibt also zu Hause und wiederum ist es die Frau, die des Mannes Wahrnehmung selbst im Schlaf kontrolliert und so dafür sorgt, dass man nur ganz kurz zweifelt, ob man sich nicht doch wenigstens für ein Bier hätte aus dem Haus schleichen sollen.
Ihre Haut schimmert im fahlen Schlafzimmerlicht - 'Frauenhaut', sollte in den Duden aufgenommen werden.
Also noch kurz ins Bad, Zähne putzen und dann kriecht man auch unter die Bettdecke.

Wie man(n) da so liegt, neben der Liebsten, am Freitagabend um halb zehn, da ist man mit sich und der Welt im Reinen - und freut sich schon auf den nächsten Spaziergang.

Freitag, Oktober 13, 2006

Der letzte Schritt hinaus zu viel viel mehr


In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen fällt auch mein Blick hin und wieder auf das Farb-TV, die Bildröhre oder hochmodern: Plasma-Kristall-Leucht Teilchen, die buntes Treiben auf die Netzhäute der Nation bannen.

Einst war es Willy Brandt, der mit einem symbolischen Druck auf einen frühzeitlichen, aus heutigen Gesichtspunkten höchst antiquitär anmutenden Startknopf (Huuaaa, ok, überredet: Buzzer) das Farbfernsehen der Bundesrepublik startete.
Was muß das Betrachten bewegter Bilder damals noch ein Genuß gewesen sein. Es war neu, vielleicht futuristisch, eventuell vorteilhaft. Doch um welchen Preis?
War die Entwicklung diverser Sendeformate, Trends und TV-Müll absehbar?
Saß ein kleiner Geheimbund gehässiger, in James Bond Manier entrückter Weltherrschaftsfanatiker an einem gusseisernen Joystick und plante bereits damals die Menschheit mittels einförmiger Gehirndurchrührung hinein in ein zähflüssiges Meer aus Mars-Snickers-Raider-Twix Karamell Keksschaum zu manövrieren?

Verdammt Schleichwerbung. Sehen wir großzügig darüber hinweg.

Klingt bis hierhin äußerst abwegig, trifft doch aber im übertragenen Sinn sehr deutlich den aktuellen Zeitgeist im medialen Wahnsinn. Der Ozean aus der erwähnten Zuckersuppe wälzt sich jeden Tag aufs neue zähflüssig in die glibbernden Steuereinheiten des modernen, rundum-kommunikativen Menschen.

Die Zusteuerung auf einen alles verschlingenden Abgrund kann man förmlich am faulen Geruch der sich anschleichenden, schwarzen Tiefe erkennen, wenn in einer der mittlerweile unzählbaren "Ich und meine Familie wandern aus gen Russland, weil meine Kinder bei Traktor Wolvograd eine deutlich bessere Frühförderung im Hallen-Halma erfahren und Deutschland sowieso Scheiße ist" - Sendungen eine katastrophal übergewichtige Familie gezeigt wird, deren Vater, einst Kameradschaftsführer und nun hochgeläuterter Ex-Neonazi mit neuer Existenz, völlig durchgeschwitzt predigt, seine drei Töchter sollen irgendwann einmal in Harvard oder einer anderen Elite-Uni, aber Hauptsache in England studieren.

Alles klar, so lange und eingeschachtelt wie dieser Satz wahrten sich auch die Fragezeichen auf meiner Stirn.
Seine Frau, ebenso potentielle Kandidatin für den Pro7-Avenzio 600 Kilometer Abspeckmarsch durch die neuen Bundesländer, Sie ist die Alleinverdienerin. Pendelt jede Woche per Flugzeug zwischen der neuen Heimat und ihrer Arbeitsstätte in deren altem Pendant.

Unterhaltung auf Kosten möglichst polarisierend peinlicher Menschen, die aber auch ihrerseits keinen Funken Exhibitionismus scheuen, nur um einmal vor einer Kamera aufgetreten zu sein.

Oder wie sagte Pro7-Sam erst heute Abend, nach dem erfolgreichen Date einer völligst verzweifelten 19-jährigen Singledame, deren Gesichtsausdruck förmlich vor Panik schrie ihr langes, unwertes Leben alleine verbringen zu müssen? Man sprach über ihre Entscheidung hin zu Kandidat 2, eine künstliche, zugegelte Schmierbacke mit (Achtung Trend) samtweicher Bardenstimme und unverstärkter Stromgitarre in der Hand. Mit cooler, aktueller Kleidung und exaltierten Fähigkeiten käme man eben bei Frauen an.
Kandidat 1, der Looser in diesem Spiel, grundsympatisch und erfrischend "normal" wurde mit Schelte ins Abseits gejagt.

Oh du schöne neue Welt, du feine Gesellschaft.


Willy, du lebst nicht mehr. Du musst Dir dies glücklicherweise nicht mehr antun. Die Abstände in denen mein Blick auf die Mattscheibe fällt werden weniger werden. Dem ist gewiss.

Donnerstag, Oktober 12, 2006

"Wisst ihr was Ed Gein über Frauen gesagt hat?"

"Ed Gein? Der Metredeur der 'Canal Bar'?"

"Nein, der Serienkiller aus Wisconsin in den 50ern."

"Und was hat Ed gesagt?"

"Er sagte 'Wenn ich ein hübsches Mädchen auf der Strasse sehe, denke ich an zwei Dinge. Der eine Teil von mir möchte sie gerne fein ausführen und mit ihr reden. Lieb und nett zu ihr sein und sie korrekt behandeln..."

"Und was denkt der andere Teil von ihm?"

"...wie ihr Kopf auf einem Stock aussehen würde."


Ich bin seiten weise und das war Christian Bale alias Patrick Bateman in Bret Easton Ellis' "American Psycho".


Ed Gein übrigens lebte von 1906 bis 1984, tötete mindestens zwei Frauen und schändete einige Gräber. Aus den menschlichen Überresten fertigte er u.a. Sitzbezüge, einen Gürtel aus Nippeln und Gesichtsmasken.
Ed wurde verhaftet, gestand und wurde als nicht schuldfähig in eine Heilanstalt eingewiesen. Später wurde er doch für schuldfähig befunden - und erneut in die Heilanstalt eingewiesen.

Montag, Oktober 09, 2006

Und aus dem Hintergrund verschießt Rahn das letzte Wembley-Tor

Deutschland im Herbst. Äh nein, Deutschland ist eine Sommerfabel. Oder so ähnlich. Prinz Poldi und Heribert Schweini überall im All. Der Sport vereint ein sechzehn Jahre wiedervereinigtes Land.

Doch hat sich in diesen wilden Tagen nach und vor der WM-Euphorie einmal jemand Gedanken gemacht, respektive Fragen gestellt über den tragischen Werdegang vieler Helden am Rande?
Was erlebte der geneigte Couch-Poet und Rasierwasserexperte in Zeiten seines eigenen Schulsports?
War er jemals geachtet, gefürchtet? Etwa der Flankengott in der großen Sporthalle? Ein aufkeimendes Sternchen der Klasse 7bRGZX der Gesamtschule Oberschönmattenwaag. Oder gar Unterschönmattenwaag? Mitnichten!

Denn die Riege derer, die damals beim Sport immer, aber auch wirklich immer, und sei es nur bei der Mannschaftsbildung in der ersten Stunde, im ersten Halbjahr Brennball, als letzte gewählt wurden gerät viel zu oft in Vergessenheit.
Wie war das noch? Man konnte sich mit der Sicherheit einer verspäteten A380 Auslieferung darauf verlassen, nach dem Wählen der Standard Ortsschulsportheroen, die nicht zuletzt der Vater mit der Stoppuhr zwischen Günzelburg- und Battenbergstraße hin- und herjagte, stets noch als das letzte übergelassene Gammelfleisch auf der typischen Sporthallenbank sein graues und trübes Dasein zu fristen.
Da nutzte auch der natürlich nur gut gemeinte Ausspruch der besorgten Eltern: "Hey, dafür hast Du Deine Qualitäten woanders!" nichts, rein gar nichts. Denn in Mathe war man auch scheiße.

Sollte schließlich gezwungenermaßen, bedingt durch das von gespieltem Mitleid und einer "Tja, Pech gehabt"-Attitüde durchsetzte Gesicht des Sportpädagogen, die Zugehörigkeit zu einer Mannschaft doch noch zustande gekommen sein, wehte einem gleich der schneidende Gegenwind der sogenannten Teamkameraden entgegen.
Ihre Perfektion im Konglomerat der sich kongenial ergänzenden Nike-Puma-Adidas-Sporthaus-Ohl und Fahrrad Lindemann Cracks war nun gestört. "Mist, jetzt haben wir den ders net kann bei uns."

Und erneut waren im Leben unseres Erzählens wieder neunzig Minuten für das sprichwörtliche Exkrement-Ausscheidungsorgan.

Vielleicht sollte sich in diesem Bezug Herr Jan Ullrich, ehemals Deutschlands beliebtester Radfahrer, einmal Gedanken über die Schulzeit seinen spanischen Doping-Spezialisten machen. Mit nur einem kleinen Pillchen oder einem Schlückchen Eigenblut hätte man nämlich damals groß auftrumpfen können und wäre beim nächsten Mal vielleicht nur als Zweitletzter gewählt worden.

Welch ein Traum, ein Wunder. Ein richtiges Sommermärchen!

Sonntag, Oktober 08, 2006

Die Nacht ist von gestern, das Geschirr auch

Gestern war Flohmarkt auf dem Platz vor dem Landesmuseum - genauer gesagt Nachtflohmarkt.
Begonnen hat er allerdings eigentlich schon nachmittags. Da nämlich haben die ersten die Liegen mit Handtüchern besetzt. Also im übertragenen Sinnen natürlich, denn tatsächlich saßen Menschen weitläufig über den Platz verteilt regungslos in ihren Campingklappstühlen.
Sie haben Plätze reserviert, nämlich diejenigen, an denen später am Abend Biertische aufgestellt werden sollten. Nicht für eine Party, nein, für einen Flohmarkt.
Die Menschen, die nachmittags die besten Plätze auf dem Kopfsteinpflaster freigehalten haben, wollten vom Abend an bis tief in die Nacht Omas Teeservice feilbieten.

Haben wir eigentlich ein Teeservice? Höchstens ganz hinten im Schrank unter der Espressomaschine, die nicht mehr richtig funktioniert.
Eine Fritöse zum Beispiel, die haben wir, aber keinen Brotbackautomaten.
Der Stand vor der Pforte des Staatsarchives hat einen Brotbackautomaten.
Wozu braucht man einen Brotbackautomaten?
Hat man einen Brotbackautomaten?
Wir brauchen einen Brotbackautomaten!

Es gibt auch einen Stand, der Toaster verkauft und Tassen samt Untertassen. Untertassen müssten eigentlich Unterteller heißen, schließlich sehen sie eher aus wie Teller als wie Tassen. Auf der anderen Seite stellt man sie ja unter Tassen und eben nicht unter Teller - also doch Untertassen. Quasi Untertassenteller.

Tassen haben wir, aber keinen Aktenvernichter.
Es gibt einen Stand vor dem Museum, der hat einen Aktenvernichter.
Wir könnten einen Aktenvernichter in den Flur stellen, dann müssten wir die gelesenen Zeitungen nicht mehr in den Müll werfen, sondern könnten sie in den Aktenvernichterschlitz stecken - bssssssiiiiissssssschh.

Zeitungen haben wir nämlich, aber keinen Papiermüllrecyclingbehälter - und keine Gartengeräte.
Dabei hat doch eigentlich jeder Gartengeräte.
Man braucht Gartengeräte!
Wir haben sogar einen Garten, allerdings kümmern wir uns nicht um den. Das macht... ja, irgendwer wird das machen, denn als wir einmal dort gegrillt haben, da sah er ganz sauber aus.
Aber Gartengeräte muss man ja auch nicht benutzen, Gartengeräte muss man haben.
Der Stand ganz vorne an der Straße, der hat Gartengeräte.
Zwei schwarze Rasenmäher zum Beispiel.
Ich wollte schon immer mal so einen Rasenmäher zum drauf sitzen.

Eigentlich suche ich eine Lampe.
Gefunden hab' ich keine, ich werde wohl doch mal bei Ikea schauen.

Samstag, Oktober 07, 2006

Von nirgendwo nach kurz vor Schluss

Es kann dir eigentlich nix besseres passieren, als dich bei 'nem Spiel gegen Georgien in der achtzigsten Minute vor 40000 Leuten irgendwo an der gegnerischen Eckfahne völlig sinnlos auf die Fresse zu legen.....

Da stehst du weit länger als eine Stunde auf mittlerer Höhe an der äußersten Seite eines Fußballfeldes irgendwo im Osten der Republik und versuchst dich höflich im Hintergrund zu halten.
Bloss nicht in den Vordergrund drängen.
Dieses Getrete und Rumgebolze war dir schon immer ein Gräuel, diese Lederpillenliebe geht dir völlig ab und was eine Bananenflanke sein soll, ist dir bis heute schleierhaft.
Ein Stückchen weiter hinten steht noch so ein anderer Typ an der Seite - der darf heute zum ersten Mal mitspielen, wie hieß der noch gleich? So ein kleiner blonder Kerl, er hat sich nen Schnürsenkel um den Kopf gebunden...
Er könnte der kleine Bruder von dem Typ sein, der ganz hinten auf dem Feld steht - der hat auch blonde Haare aber keinen Schnürsenkel um den Kopf sondern einen Kaugummi im Mund... und gerade hat er einem anderen Spieler den Ball in den Rücken geschossen, der das gleiche Hemdchen trägt wie du.
Dein Hemdchen ist in Home-white gehalten, hat Raglanärmel, seitliche Mesh-Einsätze und Climacool-Fasern - was sind eigentlich Climacool-Fasern?
Das Hemdchen mit der Nummer sieben auf dem Rücken, das trägt der Schweini.
Jetzt rennt der gerade von der anderen Seite herüber, wedelt mit den Armen, brüllt irgendetwas und bolzt den Ball in Richtung des Fähnchens, das ein ganzes Stück weiter vorne im Wind weht.
Der Typ im Anzug hinter dir fuchtelt mit der Wasserflasche herum und deutet wild gestikulierend dem Ball hinterher.
Ansonsten passiert eigentlich nicht viel.
Auf der Tribüne siehst du einen, der gerade vier alkoholfreie Bier in Plastikbechern und fünf Bratwürste die Treppe herunterbalanciert - gerade quillt Senf und Ketchup aus dem einen Brötchen und breitet sich als großer Fleck auf seinem hellen Shirt aus, es hat auch Mesh-Einsätze.
Neben ihm deutet einer lachend auf eine Rindswurst und streicht sich die Krümmel aus dem Vollbart.
Was die ganzen Leute hier bloss machen, irgendwie hast du den Eindruck, dass die nicht hier sind, um einem Fußballspiel gegen Georgien zuzuschauen - warum sollte einer das auch wollen?!... zumindest jedenfalls sind sie sicherlich nicht hier, um dir zuzusehen - und das findest du auch gut so!
Dein linker Fuß ist eingeschlafen, seit mittlerweile neunundsiebzig Minuten stehst du nun hier am Rande des Geschehens auf einer Kreidelinie. Die Füße stecken in engen Lederschlappen mit jeweils sechs etwa fünf Millimeter breiten Noppen - kein Wunder, dass die Zehen da einschlafen. Kalt ist dir auch - du musst dich ein bisschen bewegen.
Du beginnst zu joggen, das Laufen hat dir schon immer mehr Spaß gemacht als dieses Ballgetrete, außerdem fuchtelt der Anzugtyp hinter dir immernoch mit der Wasserflasche - Mann, das nervt und raubt dir die Ruhe.
Du joggst also mal in die Richtung des Balles - irgendjemand muss das Ding ja sowieso wieder holen.
Der Typ mit den Würstchen und den Plastikbieren bleibt auf der Tribünentreppe stehen.
Der andere Kerl nimmt die Rindswurst aus dem Mund.
Sogar der Schweini schaut zu dir rüber.
Der Anzugtyp klatscht jetzt.
Gleich bist du an der Ecke mit der wehenden Fahne angekommen, an der auch die Pille entlangrollt... noch ein paar Schritte, leichte Übung für dich, das Laufen hat dir schon immer Spaß gemacht.... noch einen Schritt, du setzt die sechs Stollen des rechten Fußes auf den grünen Rasen, irgendwie findet der Latschen keinen Halt, du merkst wie du das Gleichgewicht verlierst, ruderst ein Wenig mit den Armen. Der Fuß rutscht immer weiter vom Rest deines Körpers weg, jeder Körperbeherrschung beraubt. Du taumelst, das helle Hemdchen nähert sich bedrohlich dem nassen grünen Rasen - wenn das mal wieder raus geht.
Im Fallen siehst du noch den Typ von vorhin auf der Tribüne: Er wirft die angebissene Rindswurst in deine Richtung, spuckt seinem Vordermann einige Bröckchen in den Nacken - war das jetzt Wurst oder Brötchen?
Den Blick wieder auf den Platz gerichtet, siehst du, wie der Lederball knapp vor deiner Nase entlangrollt und scheinbar in Zeitlupe die Kreidelinie überschreitet, deren Staub dir jetzt auch an der Backe klebt.
Du mochtest dieses Spiel noch nie.
Laufen hat dir schon immer viel mehr Spaß gemacht.
Die Begeisterung deines Vaters für Mannschaftsballsport in Meshtrikots mit Ripstickbündchen und Logosticks hast du früher schon nicht geteilt - du bist schon immer lieber einfach laufen gegangen als ins Stadion.
Du mochtest dieses Spiel noch nie, aber es ist ja zum Glück gleich zu Ende. Der Typ mit dem schwarzen Leibchen hat schon auf die Uhr gesehen - er ist der einzige, der eine Uhr trägt.
Noch zehn Minuten - es ist kurz vor Schluss, zum Glück!
Du mochtest dieses Spiel noch nie.

Es kann dir eigentlich nix besseres passieren, als dich bei 'nem Spiel gegen Georgien in der achtzigsten Minute vor 40000 Leuten irgendwo an der gegnerischen Eckfahne völlig sinnlos auf die Fresse zu legen.....

Fräulein, bringen Sie uns doch bitte noch zwei Kaffee im Kännchen...

Bonjour und schönen guten Tag werte Nutzer der weltweiten Telefonkabelverbindung. Sie befinden sich auf einem weiteren Kleinod kleinbürgerlicher Möchtergernjournalistenkunst.

Was Sie hier erwartet? Gute Frage.

Was wir hiervon erwarten? Seitenweise Berichterstattung aus einer Front die sich Leben nennt. Der ganz normale, waise, brutale, schöne, sanfte oder doch einfach nur langweilige Alltag. Jedoch mit Verpackung, mit Hülle, mit einem Wunder aus der Tüte. Auspacken macht doch immer wieder mehr Spass als gleich in der Hand haben. Um es mit den Worten einer regional, zeitgenössischen Radiowerbung zu sagen: "Selbstgepflückt schmeckt doch immer besser!"

Geben wir damit eine Hilfestellung zur Bewältigung unseres von Entertainment, von Unterhaltung zugekleisterten Lebens? Werden wir sehen, noch steht hier der Anfang.
Vielleicht wird er mal berühmt, weltweit gesucht von Menschen die immer alles brauchen was irgendwie am Anfang stand. Die allererste Pressung des Beatles Debut-Albums. Ein Toastbrot mit dem Antlitz der Jungfrau Maria. (Die Arme, weltberühmt, aber letztlich doch auf das Niveau eines Konglomerats aus Weizen, Korn und Haltbarkeitsmitteln gesunken...) Gottes Ackerboden? Ok, lassen wir den religiösen Aspekt außen vor, nicht zuletzt auch aus aktuellem Anlaß.

Nun ja, auf der Suche nach dem Scharfsinn für völlig unwichtige Details.
Für Umstände und Ereignisse die die Welt nicht im geringsten interessieren, aber auf eine bestimmte, mit dem Seitenblick im Temporausch der modernen Welt kokettierende, Weise uns definitiv erwähnenswert bleiben.

Im Geiste dessen zünden sich mein geschätzter Kompagnon und ich uns nun eine gemütliche Nachmittagszigarette an, nippen an unserem Bohnenkaffee und schließen mit den Worten:

Kommen Sie wieder, denn wir sind hellwach.