Als Frau hieß er Anke

Sonntag, Februar 18, 2007

so, erstmal die kleine musikalische Untermalung.....




....und dann ab dafür



Verdammte Pracht

Am Anfang geht es durch ein moosbewachsenen Eichenwäldchen. Die Stämme sind knorrig, die Bäume alt und das weiche Grün verwischt die kantigen Konturen zum weichen Ganzen. Es bedeckt den Waldboden, scheint nur vor den uralten Stämmen der greisen Bäume zurückzuweichen und zeigt ein so heimeliges, unschuldiges Antlitz, als verkörpere es selbst den gründlichsten Begriff von Natur. Niemand würde an die Überlebenskämpfe denken, die eine schier unendliche Zahl von Pflänzchen hier täglich verlieren, die das Streben nach Licht, Luft und Sonne mit dem Leben bezahlen und an der undurchdringlichen, alles bedeckenden Mooslandschaft scheitern.
Die Natur hat hier das Gesetz des Stärkeren geschaffen und ihm das Gesicht des Guten gegeben, den Schein von Reinheit und Schönheit, anschmiegsam und einladend trägt es den eigenen Kampf im Verborgenen aus und scheint etwas größerem verschrieben.

Die Sonne schickt messerscharfe Strahlen durch die dichten Baumkronen und erst knapp über dem Boden werden sie entschärft und verschwimmen zu einem warmen Lichthauch.
Folgt man dem schmalen Pfad aus dem Wäldchen hinaus, so tritt man in eine gänzlich andere Umgebung. Die klare Schärfe, das anheimelnd Gemütliche, das Knorrige weicht einem wilden Durcheinander von Gräsern und winzigen Bäumchen, die nicht zu wissen scheinen, ob sie nun Baum oder Strauch sind. Grüne Farne und gelbliche Halme biegen sich im Wind und hängen über den Weg. Der Hang liegt nun direkt unter der Sonne und es scheint, als hätte jemand all jenen Lebensgeistern Raum bieten wollen, die den aussichtslosen Kampf im aufgeräumten Eichenhain verlieren mussten. An den Zugängen durch die alten Eichen begrenzt und weiter oben am Hang eingerahmt von weitläufigen Wäldern scheint diese Gegend tatsächlich irgendwie zugeteilt, von einem Schiedsrichter zugesprochen, ein Minderheitsrecht als Ausnahme vom Wettstreit – ein Unentschieden der Natur in gewisser Weise.

Hier scheint jeder seinen Platz zu haben, wobei niemals ganz klar ist, ob es nun sein eigener ist oder eher ein beliebiger Platz auf diesem weiten Feld, zufällig ausgewählt und austauschbar.
Mindestens eine jedoch kann einfach nicht zufällig hier stehen. Sie steht seit Jahren hier an ein und dem selben Flecken Erde, irgendwie fest im Boden verwurzelt scheinbar und das Sein doch gänzlich gen Himmel ausgerichtet, die rote Blüte immer dem Lauf der Sonne entgegengestreckt.
Manchmal möchte ich sie ausreißen und nachsehen, welche mächtige Wurzel wohl in der Lage sein mag, eine solch zierliche Pflanze so standhaft zu machen. Ich würde sie am Hals packen und aus der Erde zerren – und ich glaube, sie würde mich in ihrem Sterben noch verhöhnen, die letzten Tropfen aus ihren Adern ziehen und mir mit ihren lächerlich dünnen Würzelchen, eher Haare als Wurzeln, vor Augen führen wie absurd meine Vorstellung gewesen wäre.
So stehe ich statt dessen zwischen den mannshohen Gräsern und bin fasziniert. Zierlich, verletzlich und doch viel stärker als meine geballte Faust, die sich, jeglicher Kraft beraubt, unwillkürlich öffnet.
Während ich weiter den Pfad entlang schlendere, geht mir diese rote Blüte nicht aus dem Kopf, irgendwie ist es, als verharre der Moment, während ich einen Fuß vor den anderen setze.

Obwohl schon eiskalter Frost den Boden steinhart gefroren hat, scheint es deshalb immernoch der gleiche Moment zu sein, als ich in einer anderen Zeit wieder diesen Flecken betrete.
Die roten Blätter sind weg, das Grün ist einem grauen Winterkleid gewichen. Ich umrunde das Pflänzchen, das mir so zentral erscheint auf diesem doch offenbar willkürlich zusammengewachsenen Feld. Dieses Mal will sich meine Faust nicht bahnbrechen, obwohl ich glaube, dass da dieses Mal nichts wäre, das sie zur geöffneten Hand machen würde.
Man möchte meinen, dass die Kraft noch immer aus der Faust gefahren ist, in der Sommerblüte konserviert, die nun verschlossen und brach im Verborgenen liegt. Als wäre es allein die rote Blüte, die die Faust zu ballen vermag, um ihr sogleich die Spannung wieder zu entziehen.
Ich gehe weiter, folge dem schneebedeckten Pfad und in meinem Kopf blühen rote Blätter in der Sonne.

Ich frage mich, wie oft ich wohl schon hier entlang ging, den Wechsel zwischen mitunter bestürzender Verschlossenheit und faszinierender, allgegenwärtiger Pracht begangen habe. Die Beständigkeit und Zuverlässigkeit, mit der die Blüte wiederkehrt, scheint Ordnung in das ungezügelte Durcheinander zu bringen. Ein fortwährendes Unentschieden mit einem klaren Sieger, denn eigentlich gewinnt doch immer irgendwie das Grün und die Blüte.

Blinzelnd hebe ich die Hand vor die Augen, als ich das Eichenwäldchen betrete und ein winziger Lichtstrahl durch die dichten Kronen fällt. Die ersten Strahlen erwärmen das Moos, die Feuchtigkeit verdampft und es hat den Anschein, als streife es vergangene Spuren ab.
Der Pfad führt weiter den Hang entlang, ich trete aus dem Wäldchen hinaus auf das freie Feld. Grüne und gelbliche Farne säumen den Weg, in meinem Kopf blühen rote Blätter in der Sonne.
Tatsächlich jedoch reckt nur ein kahler Stiel seinen Stumpf scheinbar nutzlos in den Himmel. Der so vertraute Weg erscheint mir plötzlich staubig. Die Hand ballt sich zur Faust und es ist heuer nicht die Faszination, die sie mir entreißt, sondern die blinde Wut, die sie steuert. Nichts öffnet die Faust unwillkürlich und trotzdem fehlt ihr jede Kraft, dieses verdammte Durcheinander schillernder Blätter, wiegender Farne und rauschender Gräser aus der Erde zu reißen und ihm ein Ende zu bereiten. Gelähmt vor Wut und mit roten Blüten im Kopf.
Ich verlasse den Weg, hetze zwischen den Gräsern kreuz und quer um diesen so vertrauten Flecken herum. Achtlos trete ich durch die Halme, wische Farne beiseite und knicke sie ab.
War womöglich der Platz, den ich so häufig besuchte, tatsächlich immer ein anderer? Ausgesucht vom Wind, der die Samen über das Feld verstreute, während es mir vorkam, als befruchte sich das zierliche und doch übermächtige Pflänzchen immer selbst? Die verschiedenen Orte nur zusammengehalten und mir so vertraut wegen der Blütenpracht, die jeden einzelnen so zentral erscheinen ließ?
Dann jedoch muss ich sie finden, denn ich fand sie doch immer, zielsicher angezogen von ihrer Faszination.
So trete ich hektisch weiter abseits des Pfades durch die Gräser, knackend brechen dünne Halme unter meinen Schuhen und ich ziehe Runde um Runde durch das Feld, doch da blüht nichts. Nichts ist zu spüren, von diesem magischen Moment, das mich ehemals so sicher an den rechten Ort führte.
Ich trete auf den steinigen Pfad zurück, gebrochen zeugen Halme und Gräser von meiner verzweifelten Suche im Feld. Beim Blick über die Schulter liegt ein Platz brach und trostlos, der doch immer der natürlich zentrale Punkt dieses wilden Durcheinanders zu sein schien. In der Mitte steht der kahle Stiel und reckt seinen Stumpf gen Himmel.
Gebrochene Halme, zertretene Gräser und geknickte Farne liegen am Boden und verwischen zu einer Einheitsfarbe.
So treten sie hinter den schimmernden Farbtupfer zurück, der dazwischen hervorscheint. Aus der Einheitsfarbe sticht, scheinbar unübersehbar, eine Blume mit gesundem Stiel und schöner Blüte heraus, die jedoch mit ihren zarten Blättern so gar nicht gen Himmel strebt und sogar ihre leuchtenden Blüten schon zu verlieren scheint – zertreten liegt sie am Boden.

In meinem Kopf blühen rote Blätter in der Sonne, war doch jeher die Wiederkehr der Blüte das Beständige in diesem Durcheinander.
Oder war die Wiederkehr tatsächlich eine Erneuerung und somit das Neue die eigentlich beständige Note in diesem Konzert der höchsten Töne?

1 Comments:

  • "die Blume ist das Ziel",denkt der Läufer,
    "der Weg ist das Ziel",weiß die Blume

    By Anonymous Anonym, at 1:09 AM  

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