Als Frau hieß er Anke

Sonntag, Januar 28, 2007

Arg kalt

Schon beim ersten Schritt aus dem Haus fährt die beissende Kälte durch alle Nähte. Ein eisiger Windhauch kriecht durch sämtliche Schichten.
Mehrschichtiges Kleidungssystem, Zwiebelprinzip – es bringt nichts, sagt es Euren Müttern! Ich glaube kaum, dass ich mit einem Kartoffel-, Tomatensystem oder sonst irgendeinem Gemüseprinzip weniger frieren würde, aber danke trotzdem für den Tip.

Schnell ins Auto. Beim Einsteigen weht ein erschreckend kalter Luftzug den Schal von der Schulter. Der prüfende Blick, der Blick über die Schulter gerät zum Blick zurück. Nein, der Schal, er ist noch da.
Es fröstelt, der Wind weht lautlos ein Blatt durch die Luft. Lautlos, irgendwie unheimlich, selten gibt es ein intensiveres Grau. Vor dem inneren Auge fällt das Blatt auf den Boden, gar nicht lautlos, nicht belanglos - nein, mit einem schrillen Klirren zerschellt das gefrorene Blatt auf dem Pflaster.
Ein Lieferwagen rumpelt heran und ich beeile mich beim Einsteigen.
Das Blatt weht noch immer über die Straße.

Es ist arg kalt, auch im Auto noch, die Heizung wird nicht warm. Eisige Kälte versperrt dem wärmenden Lufthauch den Weg durch die Leitungen, schließt den Durchgang martialisch ab. Bitterkalt.
Die Hände zittern am Lenkrad, der kalte Motor läuft unruhig. Nichts läd zum verweilen ein. Menschen auf der Straße hasten gen warme Stube oder bewegen sich vermummt und in Zeitlupe durch die Gassen.
Der Typ auf dem Supermarktparkplatz hat scheinbar keine warme Stube, er lehnt mit den Obdachlosenzeitungen im Arm an den Einkaufswägen.
Eine mittelalte Dame eilt mit einem Blick an ihm vorbei, als fürchte sie, der arme Mann könnte ihr gleich die frisch erworbene Gemüsepfanne von BioBio aus dem Wagen rauben.
Mit einem leichten Pfeifen weht irgendwo wieder dieser eiskalte Hauch zwischen dem Meer geparkter Autos hindurch. Das Pfeifen wird lauter, der Hauch wird zum Wind, schwillt an zum Sturm und weht mir abermals den Schal von der Schulter, als hätte er sich gezielt den Weg über den Parkplatz gebahnt, um mich mit kalter Hand zu packen. Es fröstelt.
An die Einkaufswägen gelehnt schaut mich der Mann an, murmelt leise einen Gruß in den Wind. Ich grüße zurück und nehme meinen Euro aus dem Wagen.
Als wolle er die Szene unterstreichen, bläst der Schlot des Müllheizkraftwerkes dicke graue Wolken in die Kälte. Altes wird beseitigt, verbrannt, die Asche betont das Grau – von der Wärme ist hier auf dem Parkplatz nichts zu spüren.

Ich steige ins Auto, es ist schon wieder kalt oder immernoch. Immernoch lehnt auch der Mann an den Einkaufswägen, die Obdachlosenzeitung im Arm.
Auf dem Parkplatz sind kleine Bäumchen zwischen die Pflastersteine gepflanzt. Sie scheinen sich gegen die betonierte Kraft zu stemmen und zaghaft ihren Platz zu behaupten.
Ein Blatt wird durch die Luft geweht. Lautlos vom Wind getragen und zugleich fallen gelassen.

Der Motor springt an, er läuft jetzt schon runder als vorhin und auch die Heizung wird nun schneller warm.
Im Augenwinkel erscheinen die kleinen Erdflecken um die Stämmchen der Bäume wie Risse im Beton, aufgesprengt von unbändiger Kraft und doch nur gerade groß genug, um ihren Lebenswillen hindurchzuzwängen.
Beim nächsten Mal werde ich genauer schauen, ob sie sich ihren Platz vielleicht gar nicht so zaghaft behaupten, wie ich zunächst annahm.

Ich hätte ihm auch eine Zeitung abkaufen sollen.
Beim nächsten Mal werde ich ihm auf jeden Fall eine Zeitung abkaufen!








Das war seitenweise seiten weise und zum Schluß möchte ich den geneigten Leser noch zur Lektüre des folgenden Beitrages meines geschätzten Kollegen einladen.
Ein kleiner Sidekick wird da zum Seitenhieb, denn manch modernem Miteinander fehlt mitunter die Kraft zum herzlichen Händedruck - lesen Sie selbst.

Freitag, Januar 26, 2007

Der Wei(ß)heit nächster Schuß


Soso, da ist er ja doch noch.
Dieser fiese Mob, schäbige Geselle und schleimige Schmarotzer. Lässt sich auf ewig lange Zeit nicht sehen, spricht mit niemandem, ruft nicht an und schickt einfach andere wackere Mitstreiter los, die seinen Platz ausfüllen sollen.

Was wäre es so schön, könnte man sich in diesen äußerst rasenden Zeiten, denen es an der Erhaltung liebgewonnener Traditionen scheinbar gar nicht gelegen ist, noch auf Aussagen und markige Worte verlassen.
Aber Umgangsformen und über Jahre, eigentlich für jeden klare, Regeln des zwischenmenschlichen Gesellschaftsspieles scheinen sich im Dickicht einer elektronischen Gesellschaft immer weiter zu verlieren.

Die schöne Floskel hier, das schmeichelhafte oder gar ironische Zwinkern im Augenwinkel, der gewählte, literarisch ambitioniert untermauerte Gruß zum Schluß, alles weg.
Was konnte man im geschriebenen Wort einst so schön sein Halbwissen einflechten.

Ouhh, ein Rilke Gedicht (das man sich gerade noch so aus der Schule behalten hatte) im liebevoll angerichteten Umschlag, mit der Einladung zur sonntäglichen Ausfahrt, mit dem hart zusammengesparten Moped, an die hübsche Bedienung im Eiscafé, die man schonmal auf der letzten Feier zaghaft ansprach. Schleimig OK. Aber ein bißchen überspitzt müssen wir ja sein, ist ja kein Illuminaten-Roman hier.

Der große Literat ward also geboren. Das war großes Kino, man mußte sich Gedanken machen, etwas überlegen, seinen eigenen Stil formen. Auch wenn es letztlich vielleicht zu einer dezent unkonsequenten Holprigkeit führte, dieses amüsant dilettantische machte es zum Schluß vielleicht aus.

Lange ist das noch nicht her, es ging nur rasend schnell vorbei. Durch den überall gegenwärtigen Funkraum schwirrende Kurznachrichten zwingen den Protagonisten dazu, sich auf sagenhafte 160 Zeichen zu begrenzen. Die elektronische Post bietet da mehr Raum, doch ehrlich: Wann erlebte man dort zuletzt in seinem Posteingang ein Schriftstück mit Groß- und Kleinschreibung oder gar klar zu definierendem Anfang und Ende?

Die Arbeitswelt macht es sich da noch einfacher, da werden nur noch Fakten hin und her über den glasfaserigen Äther geschleudert. Platz für Kleinig-, Nettigkeiten? Pah, es muß ja schnell und gewinnorientiert gearbeitet werden im Supply-Attach-Main-Store-Power-Holding Management einer Firma, die früher vielleicht einfach nur Lebensmittel verkauft hat.

So kann man zwischenmenschliche Verbindungen natürlich auch zerstören, es bedarf dazu keinen "Krieg des Terrors", wie im vergangenen Jahr Sacha Baron Cohen, alias "Borat", US-amerikanische Aktivitäten so schön polemisch provozierend taufte.

Natürlich ist der schnelleren und einfacheren Kommunikation ein gewisser praktikabler Sinn nicht abzusprechen, genutzt wird es natürlich gerne, wir schreiben ja auch unsere eigene, elektronische Kolummne hier.

Doch in die sich hier gerade zart einschleichende Romantik, möchte die reine Fakten-Nutzen-Orientiertheit nicht so recht passen.

Denn nun fällt er doch noch, von oben und schleicht sich so schön nonchalant ein.
Der Schnee.
So isser, irgendwie immer von oben herab. Diese Natur, einen schönen Freund haben wir uns da ausgesucht. Macht mir einfach meine schönen Planungen für einen Freibadbesuch im Januar kaputt.

Wenigstens ist er so schön nutzlos, dass er mir gerade richtig sympatisch wird.